Quantcast
Channel: Kultur – LIVEUNDLUSTIG
Viewing all 41 articles
Browse latest View live

Ladies Night im Baumarkt mit den „Hammerfrauen“

$
0
0

BAUHAUS_Motiv_01.inddMusical-Uraufführung in den Wühlmäusen
von Beate Moeller

BERLIN – Den Sommer über wird am Theodor-Heuss-Platz mit Frauen-Power kräftig renoviert. Täglich ab 20 Uhr knallt und hämmert es auf der Bühne:

Bei der Ladies-Night im Baumarkt – dem Handwerkerkurs nur für Frauen – lernen vier Damen zwischen Sekt und Schnittchen, wie man fliest und fugt. Doch nicht nur das Fliesenlegen, auch den Baumarkt selbst nimmt das Do-it-yourself-Quartett über Nacht in die Hand.

Den Alltag auf die Bühne genagelt haben der Berliner Autor Robert Löhr („Der Schachautomat“), der Pianist und Komponist Benedikt Eichhorn („Pigor & Eichhorn“, „Bezirkslieder“ mit Horst Evers) sowie der Kabarettist und Autor Michael Frowin (u.a. Friedrichstadtpalast, Komische Oper, Distel).

Als Hammerfrauen legen Caroline Beil (Cornelia), Isabel Varell (Yvonne), Julia Klotz (Kim) und Julia Meier (Julia) Hand an. Unterstützt werden sie von den Baumarktmitarbeitern Marco Billep (Patrick) und Michael Frowin (Enno). Mit Christian Miebach (Mark) als Julias Bräutigam ist das Septett komplett.

©2015BonMoT-Berlin
Foto: Claudius Pflug

Hammerfrauen – Das Musical:
Buch: Robert Löhr | Musik: Benedikt Eichhorn | Songtexte: Michael Frowin & Benedikt Eichhorn | Regie: Craig Simmons | Bühne & Kostüme: Esther Bätschmann | Choreographie: Betty Dir | Produktion: Theaterplatz & Halliwood

Uraufführung am Donnerstag, 16. Juli 2015
Die Wühlmäuse | Pommernallee 2-4 | 14052 Berlin | Kartentelefon 030.30 67 30 11 | Kartenbestellung weitere Möglichkeiten
Termine: 16. Juli bis 23. August 2015, Di-So um 20 Uhr

Auf Heimwerkerkurs hammern und picheln: Julia Meier, Isabel Varell, Caroline Beil und Julia Klotz.

Auf Heimwerkerkurs: Julia Meier, Isabel Varell, Caroline Beil und Julia Klotz.



Wenzel, das Leben und die Poesie

$
0
0

2015-05-03 Wenzel ufa 300x300 - Foto © Carlo Wanka 01Zum 60. Geburtstag am 31. Juli 2015

von Harald Pfeifer

Da vollendet Wenzel der Poet, Musiker und Sänger, aber auch versierte Theatermann, Essayist, Schriftsteller und nicht zuletzt geschätzte Person der Kulturszene sein 60. Lebensjahr. Für ein Leben ist diese Vielfalt nicht gerade wenig. Aber, was er macht, macht er mit ungeteilter Aufmerksamkeit.

„Er hat allerhand durch, aber nichts hinter sich.“ schrieb Steffen Mensching auf die Rückseite des Plattenumschlages von Wenzels Erstling „Stirb mit mir ein Stück“.

So ist es noch heute. Wenzel wird einfach mit der Welt nicht fertig. Er hat sich nicht etwa in das Objekt seiner Betrachtungen verbissen, in das hat er sich vertieft.

Allein die Gedanken um Liebe und Tod nähmen schon kein Ende und dann kommt noch die Politik dazwischen und die verheerende Wirkung des Geldes. Mehr als 35 CDs hat er bisher veröffentlicht, jede ist ein genaues Zeitbild und beschreibt das Wechselspiel zwischen Individuum und Gesellschaft.

zu bestellen bei matrosenblau.de - einfach aufs Bild klicken

zu bestellen bei matrosenblau.de – einfach aufs Bild klicken

Die Zeile „Halte dich von den Siegern fern“ von seiner CD „Viva la poesia“ beschreibt dabei seine Haltung unmissverständlich.

Anfangs wollte Hans-Eckardt Wenzel Maler werden. Sein Vater war Kunsterzieher, und der malt heute noch mit Leidenschaft. Vor wenigen Jahren hatte er Bilder in einem Leipziger Hotel ausgestellt. Wenzel kannte also die Gerüche der Farben, auch die Musik, die sein Vater beim Malen oft laufen ließ: die Lieder von der Dreigroschenoper. Als er in der vierten Klasse war, hat er sein erstes Lied geschrieben und danach Lieder- und Gedichtabende veranstaltet. Es lag also auf der Hand, nach dem Abitur Kulturwissenschaften zu studieren…

…in Berlin, wo in jenen Jahren um 1976 vieles zusammen lief. Doch offenbar war das Studium nur die eine Seite, die Bühne lockte. Er fand Gleichgesinnte, darunter Stefan Körbel, Elke Schwarz und Rolf Fischer, die in tiefsten DDR-Zeiten ein Privattheater gründeten. Später kamen noch Steffen Mensching dazu und Werner Karma. Ihr Theater nannten sie „Karls Enkel“, und mit Karl meinten sie alle, die in ihr Programm passten. Also Marx, Liebknecht, Valentin oder auch Karl May. Das war nicht die Vätergeneration. Und ihre Idole waren zunächst Dichter aus vergangenen Jahren wie Goethe, Mühsam oder Theodor Kramer, deren Gegenwartstauglichkeit sie überprüften.

HammerRehwü82

Auf diese Weise waren sie immer auch politisch. Doch das reichte 1981 nicht mehr aus – angesichts der allgemeinen Hochrüstung und der innenpolitischen Verhärtung im Arbeiter- und Bauernstaat. Deshalb griffen sie kühn zur Posse, der Revue und dem Clownsspiel. Die Hammer=Rehwü von 1982 setzte dabei neue Maßstäbe.

Das „Clowns-Duo“ bedeutete die Zuspitzung des künstlerischen Prinzips, das Wenzel und Mensching mit der Hammer=Rehwü erfolgreich ausprobiert hatten. Nun waren die beiden Clowns nicht mehr die Moderatoren, sie machten Programm und äfften gezielt jene Wirklichkeit nach, der man die Eigenschaft „real existierend“ verpasst hatte. Sie verabschiedeten die DDR und begleiteten ihr Publikum mit ihrer clownesken Art der Weltbetrachtung in das vereinte Deutschland.

Wenzel_Mensching - foto ch_linksEinen denkwürdigen Moment gab es im Gorki Theater, wo sie am 2. Oktober 1990 spät abends ihre Vorstellung in der DDR begannen und sie nach Mitternacht in der Bundesrepublik zu Ende brachten. Das war ein anderes Land, der Spott blieb aber.

Natürlich veränderten sich die Programme. Wir wollten, sagte Wenzel, mit unseren Erfahrungen aus der Literatur das Publikum auf die veränderte gesellschaftliche Situation vorbereiten. Aber über die 90er Jahre war dann das Prinzip des Clowns-Duos aufgebraucht. Das Notenständer-Stück hätten sie noch lange spielen können, neu wäre daran aber nichts mehr gewesen. Auch hatten die beiden Mimen sich nichts mehr zu sagen, die Zweisamkeit im Duo ist auf Dauer zermürbend. Die Abschiedstour von Wenzel/Mensching endete 2000.

Für viele ist das Lied Wenzels wichtigstes Ausdrucksmittel. Allein der Menge wegen könnte man das meinen. Seine Interessen sind allerdings weitaus vielfältiger. Über 35 CDs, respektive Langspielplatten, hat er seit 1986 veröffentlicht, jede ist eine Welt für sich, ein raffiniert gezeichnetes Zeitbild. Und immer geht es ihm um die Gegenwart. Auch wenn er Texte von Dichtern aus der Vergangenheit für seine Lieder verwendet. Bestes Beispiel ist die neue CD „Sterne glühn“ mit der expressionistischen Lyrik von Johannes R. Becher.

2015-05-03 Wenzel - Snodan - Denkmal ufafabrik - Foto © Carlo Wanka 004

Wenzel sucht Gleichgesinnte im Widerstehen gegen das allgemeine Trachten nach Menge und Geld. Er sucht die Nische, die Besonderheit, das Unikat. Und dabei sind seine Freunde im Geiste, neben dem österreichischen Dichter Theodor Kramer, mit dem er sich seit fast 40 Jahren befasst, auch Woody Guthrie oder eben wie gesagt Becher. Dazu kommen noch der Romancier und Essayist Christoph Hein wie der Maler und Grafiker Johannes Heisig. Natürlich kam es mit denen auch zur Zusammenarbeit. Und immer entstehen dabei Lieder. Das Besondere bei denen immer wieder, auf welch natürliche Weise Wenzel Poesie und Alltag zusammen bringen kann. Eine Fähigkeit, die durchaus selten ist.

©2015 BonMoT-Berlin
Fotos: Carlo Wanka/BonMoT-Berlin, Thomas Neumann

Am Freitag, 31. Juli 2015: Das Jubiläumskonzert – Wenzel zum Sechzigsten – mit vielen Gästen im Berliner Admiralspalast – schon ausverkauft

Artikel über Wenzel auf liveundlustigWenzel im Netz – Wenzels Neue Europa Hymne

Und das sagen die anderen (ergänzt am 2.8.2015):
MDRMitteldeutsche ZeitungBerliner ZeitungFreie Presseradio einsDeutschlandfunk

2013-02-16 CD Release in der Kulturbrauerei Wenzel - Foto Thomas Neumann 2013-02-17 Heisig und Wenzel 2013-02-16 Plakat Hein mit Wenzel 2011-03-09 Wenzel - Foto © www.conanima.de 2015-05-03 Wenzel ufa 300x300 - Foto © Carlo Wanka 02

Shortcuts September 2015

$
0
0

CD Goldt Freundin Hose18.9. bis 7.11. Kabarett- und Kleinkunsttage im Zimmertheater in der Kultschule +++ „Gegenwind muss man aushalten können.“ Interview mit Lisa Fitz in der Stuttgarter Zeitung +++ Neu erschienen: das Kom(m)ödchen: „Deutschland gucken“ (DVD, con anima) | Max Goldt: „Freundin in der Hose der Feindin, Feindin in der Küche des Freundes“ (2 CDs, Hörbuch Hamburg) +++

Soeben bei WortArt erschienen: CD Waghubinger: „Aussergewöhnliche Belastungen“, CD Sebastian Puffpaff: „Auf Anfang“ und Buch Jochen Malmsheimer: „Gedrängte Wochenübersicht“ +++ „Lieder wider besseres Wissen“, CD von „Sebastian Krämer und den gelegentlich auftretenden Schwierigkeiten“, erscheint am 9.10. | Record Release Konzert mit Band am 18.9. im Berliner Heimathafen Neukölln, danach Solo-Tour durch Deutschland +++

Ensemble Weltkritik Höhenflüge - Foto Ensemble Weltkritik„Höhenflüge in Bodennähe“, das neue Programm vom Ensemble Weltkritik (Foto), erlebt am 24. + 25.9. seine Welturaufführung im Leipziger Centralkabarett +++ 1. Berliner Feminale präsentiert am 25. + 26.9. internationale Künstlerinnen in der ufaFabrik +++

Prominente lesen zur Situation von Flüchtlingen und Asylsuchenden am 9.9. um 16 Uhr im Theater am Kurfürstendamm | Auftakt des 15. internationalen literaturfestivals berlin +++ Noch bis zum 10. September 2015 kann man sich für einen 20-minütigen Kurzauftritt an der 57. Schweizer Künstlerbörse vom 14. bis 17. April 2016 bewerben. +++ Noch bis zum 15.9. kann man sich für den Nachswuchspreis Das schwarze Schaf bewerben +++ “Mann, Sieber!” – Neue Late Night Show im zdf mit Tobias Mann und Christoph Sieber ab 15. September +++ “Rating Akut”, das neue Programm von Arnulf Rating, kommt am 23.9.2015 zur Premiere in Meerbusch im Forum Wasserturm +++ zurück zu Shortcuts August 2015 +++

© 2015 BonMot-Berlin


Shortcuts Oktober 2015

$
0
0

Interview mit Serdar Somuncu bei den Blogrebellen +++ Einmal Deutschland für alle!” – Premiere in der Distel am 29.10. +++ “Ausgeschlafen!” – Kabarettwochen in der ufaFabrik: 4.-28.11.2015 +++ “Witze über Flüchtlinge verbieten sich” – Interview mit Humorforscherin (MZ) +++ Neu erschienen: Jochen Malmsheimer: “Gedrängte Wochenübersicht” (Buch, WortArt) | Mathias Tretter: “Selfie” (CD, con anima) | Wilfried Schmickler: “Das Letzte”, Serdar Somuncu: “H2 Universe”, Frank-Markus Barwasser: “Pelzig stellt sich” ( CDs, WortArt) +++ Chansonfest Berlin: 22.-24.10.2015 im Corbo +++ zurück zu Shortcuts September 2015 +++

© 2015 BonMot-Berlin


Die Chapertons geben Gummi – Ausgehtipp

$
0
0

Chapertons - Foto PR_300Comedy & Clownerie aus Spanien am Sonntag bei den Wühlmäusen

BERLIN – Nur selten findet man so viel Witz und Effekt mit so einfachen Mitteln umgesetzt: Die Chapertons aus Barcelona präsentieren eine verrückte Kombination aus moderner Comedy und klassischer Clownerie vom Allerfeinsten. Ihr einziges Material sind dabei gewöhnliche Autoschläuche.

Mit typisch mediterraner, fast kindlicher Spielfreude verwandeln sie sie in absurd anmutende Phantasieobjekte. Auf einmal stehen drei Motorräder auf der Bühne, und es beginnt ein wildes Rennen, ein Auto taucht auf, ein Zirkuselefant, ein Frosch, eine riesige Fliege im Regenwald, eine Skooterbahn, ein Fass ohne Boden, ein Cowboy und eine Flamencotänzerin.

Nur wenigen Künstlern gelingt der Spagat zwischen Comedy und Magie auf so berückend spielerische Weise. Und dass die Chapertons sich in unseren Breitengraden blicken lassen, kommt auch nicht so besonders häufig vor. Hingehen!

Foto: PR Chapertons

Chapertons: Boom – Comedy & Clownerie mit Autoschläuchen
Sonntag, 3. Januar 2016 im Berliner Kabarett-Theater Die Wühlmäuse | Pommernallee 2-4 | 14052 Berlin | Kartentelefon: 030.30 67 30 11


Offener Brief von Ehnert vs. Ehnert an den NDR

$
0
0

Ehnert ZKH3 - Foto PR 600Kabarett als Gratiskultur?

von Beate Moeller

Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass die Realität das Theater in Sachen Satire übertrifft. Für einen echten Knaller in dieser Sparte hat Anfang des Jahres der NDR gesorgt, hatte er doch dem Kabarettduo Ehnert vs. Ehnert ein Angebot unterbreitet, das man nur ausschlagen kann:

Mitschnitt ihres Programms „Zweikampfhasen“ und Ausstrahlung im NDR-Fernsehen ohne einen Cent Honorar. Vielmehr sollten die beiden Hamburger Künstler, die in der Vergangenheit schon des Öfteren mit dem NDR zusammengearbeitet hatten – allerdings zu anderen Konditionen – sich dieses Mal mit dem Werbeeffekt der Sendung begnügen und sich der Vorfreude auf eine Wahnsinnszukunft mit dem NDR hingeben.

Jennifer und Michael Ehnert reagierten mit diesem Offenen Brief an den Intendanten des NDR, Lutz Marmor:

Hamburg, 17. Januar 2016

Sehr geehrter Herr Marmor,

am 23. Dezember des vergangenen Jahres hat sich die NDR Fernsehredaktion „Planung, Entwicklung, Innovation“ entschieden, unser Kabarett-Schauspiel „Zweikampfhasen“ aufzuzeichnen, um es dann anschließend im NDR-Fernsehen zu senden. Darüber haben wir uns sehr gefreut.

Direkt anschließend haben dann auch schon die ersten Organisationsschritte stattgefunden: Wir haben mit dem Stadttheater Elmshorn eine schöne Location gefunden und mit Vertretern der NDR-Redaktion eine erste Spielort-Besichtigung vorgenommen. In den ersten Tagen des neuen Jahres kam es dann unverzüglich zu einem Telefonat zwischen unserer Agentur und der Produktionsleitung, um nun auch die vertraglichen Aspekte der Fernsehaufzeichnung zu klären. Da wir in den letzten 16 Jahren schon sieben ähnliche Kooperationen mit dem NDR gemacht hatten, schien es uns bei den anstehenden „Verhandlungen“ nur noch um einzelne Details zu gehen.
Von dem Honorar, das üblicherweise vom NDR für eine solche Theater-Aufzeichnung gezahlt wurde, konnten bisher der Regisseur, der Autor, die Schauspieler, der Komponist und die Produzenten des Stückes wenigstens halbwegs angemessen bezahlt werden.

Das Angebot der NDR-Programmredaktion „Planung, Entwicklung, Innovation“ für die jetzige Aufzeichnung belief sich dann auf 0 (in Worten: null) Euro.

Das hat – um es einmal sachlich auszudrücken – einiges Unverständnis in uns ausgelöst.

Wir möchten jetzt nicht näher auf Kommunikationsversäumnisse eingehen, dass es zum Beispiel seitens der Redaktion gut gewesen wäre, schon bei der ersten Begegnung zu sagen: „Wir möchten euer Programm aufzeichnen, aber dafür nichts bezahlen.“ Beide Seiten hätten sich dann weitere Vorbereitungsarbeiten sparen können, denn natürlich hätten wir solch ein Anliegen sofort zurückgewiesen.

Doch es geht hier um mehr.

Die Argumentation der Redaktion „Planung, Entwicklung, Innovation“ ist nämlich die, Zitat (aus der Erinnerung): „Es hat doch einen Werbeeffekt für Sie, wenn wir Ihr Programm senden!“ – Das ist sicher richtig, gilt aber für BEIDE Seiten. Das heißt wir Künstler bekommen mit der Ausstrahlung unseres Stückes im NDR zwar eine größere Aufmerksamkeit, aber auch der NDR bekommt durch uns Künstler eine Erweiterung seines Portfolios.
Und ob sich dieser mutmaßliche „Werbeeffekt“ für uns Künstler irgendwann auch finanziell auszahlt, ist durchaus fraglich, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass ein NDR-Zuschauer, der sich unser Programm im Fernsehen ansieht, es sich anschließend nicht noch einmal live in einem Theater ansehen wird; wir verlieren also potenzielle, zahlende Theaterzuschauer.

Dieser so genannte „Werbeeffekt“ ersetzt also nicht ein ernst zu nehmendes Honorar. Man käme beim NDR ja auch nicht auf die aberwitzige Idee, Til Schweiger zu fragen, ob er unentgeltlich einen NDR-Tatort-Kommissar spielen möchte, um damit in Zukunft seine Kinofilme besser bewerben zu können. Das ist Quatsch!

Ein weiteres Argument der Redaktion war, dass wir unser Stück doch „sowieso“ spielen, dann könne der NDR es doch auch mitschneiden. Ein interessantes Konzept. Vielleicht können wir auf unserer nächsten Tournee in den ICE nach München steigen und dem Kontrolleur sagen: „Wieso sollten wir Fahrkarten lösen, der Zug fährt doch sowieso!?“

Und zu guter Letzt hieß es, diese vom NDR vorgeschlagene unentgeltliche Zusammenarbeit sei ja vielleicht auch nur der Einstieg in eine weitergehende, zukunftsweisende Zusammenarbeit mit dem NDR.
Was soll das für eine Zusammenarbeit sein? Wir entwickeln und finanzieren Kultur und stellen diese dann dem NDR kostenfrei zur Verfügung? Sind wir Sponsoren des NDR?

Selbst wenn wir einmal davon absehen, dass es extrem demütigend ist, als gestandener Künstler und langjähriger NDR-Kooperationspartner auf den Status eines Praktikanten heruntergestuft zu werden, so bleibt immer noch die Frage, was denn nun das Zukunftsweisende und Innovative sein soll, was die NDR-Redaktion „Planung, Entwicklung, Innovation“ zu bieten hat?

Kunst wird aufgezeichnet und gesendet, aber nicht mehr bezahlt?! Das ist genau genommen Medienpiraterie. Der einzige Unterschied zum kriminellen Hacker, der sich unentgeltlich Filme oder Musik herunterlädt, ist, dass der NDR die Künstler nötigen möchte, eine Einverständniserklärung für diesen Kunstraub zu unterschreiben.

Das ist mit uns nicht machbar.

Die unentgeltliche Zurverfügungstellung künstlerischer Arbeit ist ein sehr großer Schritt in eine völlig falsche Richtung.

Unserem Wissen nach ist die Aufgabe des großen NDR-Apparats, den Zuschauern neben Information und Sport auch hochwertiges Unterhaltungsprogramm zu liefern. Dass es innerhalb des NDR-Apparats möglicherweise Notwendigkeiten gibt, Kosten zu minimieren, um dieser Aufgabe auch in Zukunft gerecht werden zu können, können wir uns vorstellen. Aber das kann und darf doch nicht dazu führen, dass das eigentliche Endprodukt, der zentrale Grund, warum Menschen das NDR-Fernsehen einschalten, nämlich die kreative Arbeit vor der Kamera gar nicht mehr bezahlt wird.

Wenn unsere kulturelle Leistung, die Arbeit von freischaffenden Schauspielern, Autoren, Regisseuren, Komponisten und Produzenten nur noch als „weicher Kostenfaktor“ gesehen wird, den man beliebig reduzieren kann, ist das der künstlerische Ausverkauf, an dessen Ende ein gut ausgestatteter NDR-Apparat steht – mit Hobbykünstlern und Laiendarstellern vor der Kamera.

Das können Sie nicht wollen.

Wir haben die Form des Offenen Briefes an Sie gewählt, weil es hier nicht nur um unseren speziellen Einzelfall geht, um eine einzelne missglückte Kooperation im redaktionellen NDR-Tagesgeschäft, sondern um gängige Praxis in einer Vielzahl von Fällen.

Wir sehen hoffnungsvoll und interessiert Ihrer Antwort entgegen, in der Sie sich für eine adäquate Bezahlung der selbständigen Kreativen, Künstler und Kulturschaffenden aussprechen und diesen Worten strukturell Rechnung tragen.

Außerdem verbinden wir mit diesem Offenen Brief die Hoffnung, dass auch andere Künstler eine Zusammenarbeit mit dem NDR zu diesen Null-Konditionen verweigern.

Mit freundlichen Grüßen
Jennifer & Michael Ehnert

©2016 BonMoT-Berlin
Foto: PR Ehnert vs. Ehnert

Rezension Zweikampfhasen – Website Zweikampfhasen mit allen Live-Terminen


Der Mond leuchtet über Berlin: „Frau Luna“– nostalgische Erscheinung

$
0
0

2016-06-16 Frau Luna im Tipi - Cora Frost Venus - Foto © Carlo WankaDie „Frau Luna“-Produktion mit einer Kleinkunst-All-Star-Besetzung im Berliner Tipi wirft erste Schatten voraus

von Axel Schock

BERLIN – Das Ganze hat durchaus etwas Größenwahnsinniges. Fans des Kabaretts in all seinen Schattierungen leuchten die Augen angesichts dieses Casts: Auf dem Besetzungszettel finden sich die Geschwister Pfister, Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn, Cora Frost und Gerd Thumser, Ades Zabel, Fausto Israel und Max Gertsch, Gustav Peter Wöhler, Sharon Brauner und Annamateur. Wer wagt, ein solches Unternehmen überhaupt auf die Beine zu stellen, muss wahnsinnig – und leidenschaftlich sein.

 

Dass nun ab 27. Oktober 2016 ein All-Star-Ensemble des deutschen Kleinkunst-Entertainments drei Monate ensuite die Bühne des Berliner Tipi rocken wird, ist nur durch jahrelange Planungen möglich. Viel wichtiger aber: Dem Tipi und seinem Mutterzelt, der Bar jeder Vernunft, ist es gelungen, über mittlerweile fast drei Jahrzehnte Künstler aufzubauen, zu pflegen und zu einer Wahlfamilie zu vereinen, die nun mit Herz und Verve sich diesem Mammutprojekt widmen: eine Neuinszenierung von Paul Linckes schräger und ohrwurmgesättigter Operette „Frau Luna“.

Lutz Deisinger, der künstlerische Leiter der Produktion, hat bereits Erfahrung mit solchen Unternehmungen. Die Inszenierung des „Im Weißen Rössl“ 1994 (u.a. mit den Geschwister Pfister, Max Raabe, Meret und Otto Sander) ist längst Legende. „Cabaret“ füllt bereits seit 2004 Jahr für Jahr über Wochen die Bar jeder Vernunft bzw. das Tipi am Kanzleramt. Und nun holt er also ein weiteres sehr berlinerisches musikalisches Bühnenwerk unters Zeltdach.

2001 hatte die Bar jeder Vernunft schon einmal Anlauf dafür genommen und den Dramatiker Thomas Brasch für eine Neufassung gewonnen, die er aber krankheitsbedingt nicht mehr realisieren konnte. Nun kommt doch wieder das alte Libretto von Heinz Bolten-Baeckers zum Zug und soll weder dekonstruiert noch auf den Kopf gestellt werden.

Stattdessen verspricht Regisseur Bernd Mottl eine „liebenswerte und romantische“ Inszenierung dieser 1899 uraufgeführten Gassenhauer-Operette, bei der er die Dialoge ernst nehmen und den nostalgischen Text zu neuem Leben erwecken möchte. Bei der Uraufführung 1899 im Milljöh der südlichen Friedrichstraße waren halbnackte Sternschnuppen mit von der Partie, die acht Tänzerinnen hier werden sich „wahrscheinlich etwas züchtiger zeigen“.

Tagesaktualität liefert diese in den Boomjahren Berlin angesiedelte Geschichte ganz von selbst – handelt sie doch nicht nur von amourösen Verwechslungen, sondern auch von Wohnungsnot, Bauspekulation und Weltuntergangsstimmung. „Operette lebt von Persönlichkeiten auf der Bühne, von Menschen mit einer eigenen Geschichte und einer besonderen künstlerischen Ader“, sagte Mottl im Pressegespräch anlässlich des Proben- und Vorverkaufsstarts. Und dafür scheint das buntgemischte Ensemble der beste Garant. Seine Aufgabe sieht Mottl daher vor allem als Dompteur dieser All-Star-Truppe der deutschen Kleinkunstszene.

Auch der musikalische Leiter Johannes Roloff will mit seinem zwölfköpfigen Orchester möglichst nahe am Original bleiben und die musikalische Farben des Kaiserreichs samt schmissiger Walzer und Marschrhythmen weder glätten – wie dies etwa im den 70er Jahren geschah – noch zur Jazzoperette verwandeln.

Noch ist keine Szene einstudiert und Bühnenbild und Kostüme existieren bislang nur als Skizzen auf dem Papier. Doch eines ist bereits sicher: „Frau Luna“ wird ein großes Berliner Bühnenereignis.

Premiere am 27. Oktober 2016 im Tipi am Kanzleramt, Spielzeit bis 29. Januar 2017.

 

2016-06-16 Luna Tipi Presse 008 - Foto © Carlo Wankahintere Reihe – v.l.n.r.: Friedrich Eggert, Bernd Mottl, Johannes Roloff
mittlere Reihe – v.l.n.r.: Gustav Peter Wöhler, Thomas Pigor, Andreja Schneider, Benedikt Eichhorn, Annamateur, Gert Thumser, Cora Frost
vordere Reihe – v.l.n.r.: Max Gertsch, Christoph Marti, Tobias Bonn, Sharon Brauner, Fausto Israel, Ades Zabel

 
01 Frau Luna im Tipi - Zabel-Scholz - Foto © Carlo Wanka 02 Frau Luna im Tipi - Geschwister Pfister - Foto © Carlo Wanka 03 Frau Luna im Tipi - Eichhorn-Pigor - Foto © Carlo Wanka 04 Frau Luna im Tipi - Thumser-Israel - Foto © Carlo Wanka 05 Frau Luna im Tipi - Frost-Wöhler - Foto © Carlo Wanka 06 Frau Luna im Tipi - Eichhorn-Brauner - Foto © Carlo Wanka 07 Frau Luna im Tipi - Geschwister Pfister2 - Foto © Carlo Wanka 08 Frau Luna im Tipi - Zabel-Israel - Foto © Carlo Wanka 09 Frau Luna im Tipi - Eichhorn-Pigor2 - Foto © Carlo Wanka 10 Frau Luna im Tipi - Israel-Zabel-Scholz - Foto © Carlo Wanka 11 Frau Luna im Tipi - Gertsch-Marti-Brauner-Schneider-Bonn-Wöhler - Foto © Carlo Wanka
 

Eine Paul-Lincke-Operette mit Kabarettisten, Schauspielern, Sängern, Musikern und Tänzerinnen im Tipi am Kanzleramt

Paul Lincke, der Vater der Berliner Operette, hatte ursprünglich einen Einakter der Frau Luna entworfen. Mit der Einbindung anderer Gassenhauer des Komponisten und Theaterkapellmeisters entstand 1922 ein größeres, abendfüllendes Werk. Dieses wird jetzt von Bernd Mottl (Regie), Ilka Seifert (Dramaturgie), Christopher Tölle (Choreografie) aufgegriffen und neu gefasst. Mit einem Bühnenbild von Friedrch Eggert, Kostümen von Heike Seidler, sowie der musikalischen Leitung von Johannes Roloff wird die Operette nah am Original inszeniert.
Die besondere Besetzung lässt schnell erkennen, dass das Tipi und die Bar Jeder Vernunft ihre Besten der bunten Künstlerfamilie auf die Bühne schickt.

Mit dabei sind in den Rollen:

Andreja Schneider – Frau Luna, Herrin des Mondes (Die Geschwister Pfister)
Gustav Peter Wöhler – Prinz Sternschnuppe
Annamateur – Stella, Lunas Zofe
Tobias Bonn – Theophil, Haushofmeister auf dem Mond (Die Geschwister Pfister)
Christoph Marti – Frau Pusebach, Witwe (Die Geschwister Pfister)
Sharon Brauner – Marie, ihre Nichte
Benedikt Eichhorn – Fritz Steppke, Mechaniker
Thomas Pigor – Lämmermeier, Schneider
Max Gertsch – Pannecke, Steuerbeamter a.D.
Cora Frost – Venus
Gert Thumser – Mars
Ades Zabel & Fausto Israel – Mondgroom

Fotos: Carlo Wanka/ BonMoT-Berlin
©2016 BonMoT-Berlin

Tipi am Kanzleramt | Frau Luna | Paul Lincke (wiki) |

 


Familiendomina, überwiegend heiter – Kritik Tina Teubner

$
0
0

tina-teubner-foto-jens-schneiderTina Teubner & Ben Süverkrüp: „Wenn Du mich verlässt komm ich mit“

von Marianne Kolarik

Alles könnte so gut sein, wenn da nicht immer dieses hinterhältig penetrante Stimmchen wäre. Diese „Maximalzerstörerstimme“: „Äh-Scheiße-da-ist-ja-Stau!“, raunt ihr vorwurfsvoll ins Ohr, „Warum sind wir nicht die A5 gefahren?“ Oder: „Immer-lässt-du-alle-Schranktüren-offen!“.

Während der Pianist und Komponist Ben Süverkrüp unverständliche Baby-Sätze ins Mikro quäkt, breitet die mehrfach ausgezeichnete Sängerin, Musikerin und Performerin Tina Teubner ihre widersprüchlichen Leiden an der Welt vor dem Publikum aus. „Wenn Du mich verlässt komm ich mit“ heißt ihr neues Programm, mit dem sie nach über 25 Jahren auf der Bühne zeigt, was alles in ihr steckt.

Nämlich eine ganze Menge: ein glasklarer Röntgen-Blick auf die vom Zeitgeist zersetzten Kuriositäten des Familienlebens inklusive Krisen-Management mit dem Gatten und den kleinen Rackern (Stichwort: Schule als Phantasie-Erstickungsanstalt), dem um sich greifenden Optimierungswahn und der gruseligen Marmeladisierung der sie umgebenden Gesellschaft. Ihr Schwager deckt sie ungefragt mit selbst gemachter Konfitüre ein, über die sie sich gefälligst zu freuen hat, was ihr langjähriger musikalischer Begleiter Ben völlig in Ordnung findet.

Mit gelassener Souveränität durchpflügt Tina Teubner den Alltag, in dem sie zu „weniger Demokratie“ und zu mehr Revolte aufruft. Gerade mal acht Menschen auf dieser Erde besäßen so viel wie der ganze Rest, regt sie sich auf und lädt zu unkonventionellen Methoden zur Bekämpfung der Ungerechtigkeit ein. Womit sie die private Ebene verlässt und sich vorübergehend aufs politische Parkett wagt. Um kurz darauf von dort zurück in heimische Gefilde zu eilen, wo der Gatte und Begleiter am Flügel ein fulminantes Medley aus klassischen und zeitgemäßen Ohrwürmern – inklusive Klingeltönen – intoniert. Ein ungetrübter Genuss.

©2017 BonMoT-Berlin

Foto: Jens Schneider

 

Tina Teubner & Ben Süverkrüp gastieren am 4. Februar 2017 mit „Wenn Du mich verlässt komm ich mit“ in den Berliner Wühlmäusen.

Alle weiteren Tourtermine auf der Homepage von Tina TeubnerWorld of Friends

 

Anfang März erscheint die gleichnamige CD bei Indigo Nr. 137 622 – HIER direkt zu bestellen.

 
tina-teubner-wenn-du-cd_600
 



Stilvoll abgehen, aber vorher richtig l(i)eben – Kritik Reinhild Kuhn

$
0
0

 

Reinhild Kuhn: „Up-Leben. Ein lebensfroher Abend über die Vergänglichkeit.“

von Beate Moeller

BERLIN – Reinhild Kuhn bringt Glanz in eine Sperrmüllansammlung, die an Schäbigkeit ihresgleichen sucht und sich keck „Theater Zukunft“ nennt. Offene Mauerbruchstellen (sic!) umrahmen den als Bühne genutzten Platz. Auf dem Boden ein verblichener Billigteppich. Pianistin Fee Stracke muss auf einem hölzernen Küchenstuhl sitzen, der irgendwann vielleicht mal hellblau oder türkis angestrichen gewesen sein mag. Elegant am Mikrofon die Sängerin Reinhild Kuhn im schwarzen Abend-Outfit, hinter ihr ein mit Gewissheit seit Jahren arbeitsloser Tresor, auf den irgendjemand mal ein dickes Fragezeichen gesprüht hat.

So unfreiwillig diese Kulisse – denn das ist keine Kulisse, so vergammelt sieht die Trümmerbude nun einfach mal aus -, so gut passt sie zum Thema dieses exquisiten Liederabends über die Vergänglichkeit alles Irdischen. „Hätte“ ist ein viel strapaziertes Wort, wenn die letzte Stunde naht, sagt sie. „Was man nicht alles hätte tun können!“ Und dann gehts runter ins psychische Kellergeschoss der Melancholie.

„November“, eine Empörung gegen den Nieselregenmonat von Tom Waits. Kurt Weills Traum vom Sehnsuchtsland „Youkali“. „Dance Me to the End of Love“, eine Liebeserklärung von Leonard Cohen, die bis zum letzten Tag reicht. Das „Rabenlied“ von Friedhelm Kändler – „Gebt meinen Körper den Raben, damit die Raben was zu nagen haben“. Wer das 2004 in der Rabenbar erlebt hat, erinnert sich.

Eine geschmackvolle Auswahl hat die Pianistin und Komponistin Reinhild Kuhn getroffen, die sich diesmal auf die Rolle der Sängerin konzentriert. Bei allem Todesthema geht es alles andere als finster zu. Dafür ist ihr unaufdringlicher Charme einfach zu selbstverständlich. Zu strahlend. Denn wenn wir den Tod bedauern, sprechen wir vom Leben und von der Liebe. Dass bei ihrem engelsgleichen Gesang keine Fensterscheibe gesprungen ist, wenn sie ihre Höhen erreicht, lag wahrscheinlich nur an den vielen Löchern in den Wänden.

So erheben wir paar Leute zum Schluss unsere Gläser und trinken auf die Toten. Hoffen insgeheim, dass wir am nächsten Morgen wieder aufwachen. Öffentlich aber hoffe ich, dass schönere Bühnen Reinhild Kuhn mit diesem ebenso sauber gearbeiteten wie zauberhaften Programm engagieren. Das Publikum wird es ihnen danken.

 

©2017 BonMoT-Berlin
Fotos: Carlo Wanka/ ©BonMoT-Berlin

Links: Reinhild KuhnTheater Zukunft


Jurypreis und Publikumspreis für Maxi Schafroth beim Großen Kleinkunstfestival der Wühlmäuse 2017

$
0
0

Berlinpreis für Ingo Appelt, Ehrenpreis für Bruno Jonas

von Beate Moeller

BERLIN – Einmal im Jahr lassen die Wühlmäuse es richtig krachen: Beim Großen Kleinkunstfestival treten fünf Kandidaten live gegeneinander an, um einen Jury- und einen Publikumspreis zu gewinnen. Das rbb-Fernsehen überträgt die Bühnen-Show live – so kann das Publikum auch von zu Hause aus mitstimmen.

Außerdem werden zwei vorher bestimmte Preise vergeben. Den Berlinpreis erhält in diesem Jahr Ingo Appelt, der „nicht mal mehr im Straßenverkehr links abbiegen kann, weil da nur Kreisverkehr ist“. Bruno Jonas wird mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet.

Moderator Dieter Nuhr eröffnet den Abend wie immer mit seiner lustigen Beschwerde über das „vaginale Bühnenbild“. Und wagt philosophisch eine Prognose auf den Wettbewerb: „Es kann auch eine Gnade sein, nichts zu können.“

Am Wettbewerb um die beiden Preise von Jury und Publikum bewerben sich 2017 diese Kandidaten: Benni Stark, Maxi Schafroth, Frank Fischer, Constanze Lindner und Timo Bomelino.

Benni Stark

Benni Stark kündigt Dieter Nuhr als „modeaffin“ an. Schließlich hatte der erste Kandidat schon 13 Jahre Textilbranche auf dem Buckel, als er sich für die Kleinkunst entschied. Mit einer Toilettengeschichte fängt Benni wenig stark an. Auf dieses Thema hat die Kabarettwelt gewartet. Seine zweite Chance nutzt er, um über Missverständnisse zu sprechen, die sich ergeben, wenn Deutsche die Namen internationaler Marken deutsch aussprechen. Da muss man auch mal erst drauf kommen.

Wie bringt man das Publikum zum Lachen? Mit einem verkniffenen Dauergrinsen probiert es

Constanze Lindner

Constanze Lindner. Kandidatin Nummer zwei zäumt das Pferd gedanklich von hinten auf. Als Bayerin beschreibt sie die Klischeevorstellung, von der sie glaubt, dass Berliner sie von Bayern hätten und schafft es – vermutlich ungewollt – fast genau diese selbst zu verkörpern. Nach dem Auftritt wolle sie noch „a weng zum Schnakseln ins Berghain“, kündigt sie mit ahnungsloser Selbstverständlichkeit an. Bleibt allerdings zu bezweifeln, dass diese Erscheinung dort Gnade vor den Augen des Türstehers fände. Im Schlafanzug, mit Wollmütze, Loserbrille und Schlimmgebissprothese droht sie im zweiten Teil „Gruppenkuscheln“ an. Und schmeißt sich erbarmungslos auf die tapferen Herren in den vorderen Reihen. Mit der Parole „Echt witzig“ hatte der rbb das Große Kleinkunstfestival auf seiner Website etikettiert. Vielleicht war ja sowas damit gemeint.

Etwas filigraner kokettiert Maxi Schafroth als dritter Wettbewerbsteilnehmer mit seiner bayerischen Herkunft. Dass alle Bayern Landeier sind, hatten wir ja gerade schon gelernt. Zusammen mit Gitarrist Markus Schalk ist er in einem 78-Seelendorf im Allgäu aufgewachsen, beide sind Bauernsöhne. „Uns droht ein Erbe!“ Da hilft nur Flucht. Zuerst in die Sparkasse, dann auf die Kabarettbühne.

Jury- und Publikumspreisträger Maxi Schafroth

Köstlich, wie er die Rohheit des Landlebens mit der Dekadenz der Großstädter kontrastiert. Pfiffig, er profitiert sogar von deren psychischen Defiziten, denn neuerdings bietet er Überlebensseminare auf dem elterlichen Hof an: „Delphintherapie in der Güllegrube für laktoseintolerante Berliner Akademiker“. – Auch die beiden Katzen des Psychoanalytikers aus der Stadt haben eine Meise. Die eine frisst nur Pazifik-Thunfisch, die andere nur Atlantik-Thunfisch. Dagegen auf dem Land: „Wenn die Katze bei uns ins Haus rein will, haun wir die Tür zu.“ Maxi Schafroths krasse Stadt-Land-Vergleiche machen Spaß – in ihrer Schärfe und Bösartigkeit.

Aber er kann auch ganz anders. Im Schlusslied seines Auftritts schlägt er leisere Töne an und wird versöhnlich. Der Vater schaut aus dem Fenster und fragt sich „Mähen oder nicht mähen?“ Ob es am nächsten Tag regnen wird oder nicht, ist auf dem Land schließlich eine existentielle Frage.
Sowohl die Jury als auch das Publikum werden Maxi Schafroth und Markus Schalk am Ende des Abends den Preis 2017 zusprechen.

Timo Bomelino

„Du kannst auch das Telefonbuch vorlesen!“ – dieser Satz war ein Kompliment für Schauspieler in dieser Zeit, in der es noch Telefonbücher gab. Vielleicht hat Tino Bomelino daran gedacht, als er sich auf seinen Auftritt bei den Wühlmäusen vorbereitet hat. Der vierte Wettbewerbsteilnehmer ist vom Poetry Slam zur Kleinkunst rübergekommen. Im Wettkampf liest er fremden Text vor. Immerhin den langweiligsten der Welt: den Anfang von „Fifty Shades of Grey“. Eine Interpretationsübung, die nicht zum Höhepunkt kommt.

Frank Fischer

Kandidat Nummer fünf, Frank Fischer, übt sich in der Disziplin des Schnellsprechens. Aber was sagt er eigentlich? Alle paar Sekunden reißt er ein neues Thema an, wie soll es da zu einer Schlussfolgerung kommen? Wenn Sie eine Antwort wissen, bitte schreiben Sie unbedingt unten einen Kommentar.

Berlinpreisträger 2017
Ingo Appelt

Bei diesem Großereignis der Kleinkunst sind die Wettbewerbsbeiträge eingebettet in eine umfangreiche Mixed Show, eine Art Familientreffen. Auch Berlinpreisträger 2017 Ingo Appelt und Ehrenpreisträger 2017 Bruno Jonas zeigen eine Kostprobe.

Maxi Gstettenbauer, der 2016 den Publikumspreis gewonnen hat, ist dabei. Helge & das Udo, Jurypreis 2016, erfreuen mit einer saukomischen Tierszene. Extra aus Dresden angereist ist der sächsische Pointenzerstörer Olaf Schubert.

Interessant hätte der Beitrag der Umbilical Brothers aus Australien werden können, die ein Treffen von Donald Trump und Kim Jong-un spielen. Leider bleibts ein pantomimisches Duell, das von Geräuschen gekonnt begleitet wird. Genau zu dieser schönen Idee hätte ich mir einen knallharten Text gewünscht, aber das ist selbstverständlich Quatsch, kann man von Pantomimen nun wirklich nicht verlangen – selbst wenn sie weltberühmt sind.

Ehrenpreisträger 2017
Bruno Jonas

Schon ein bisschen zu erfolgreich, um noch als Newcomer bezeichnet zu werden, ist Chris Tall aus Hamburg. Er beklagt sich über ein fürchterliches Hotelzimmer, in dem er einmal übernachten musste: „Ich hab noch nie so viele Brauntöne auf einmal gesehen.“ Denkt kurz nach und korrigiert sich: „Doch einmal auf Tour in Dresden.“

Hausherr Dieter Hallervorden lässt es sich nicht nehmen, sein neuestes Baby vorzustellen. Im 57. Lebensjahr der Wühlmäuse hat er sich den Wunsch nach einem hauseigenen Wühlmäuse-Kabarett-Ensemble erfüllt. Zu sehen gibt es einen Ausschnitt aus dem ersten Programm „Ver(f)logene Gesellschaft“ mit einer Angela Merkel in Vollburka. Dazu werde ich mich in den nächsten Tagen detailliert äußern, wenn ich das ganze Stück gesehen habe.

Unangefochtenes Highlight dieses fulminanten Abends ist der Auftritt von Christoph Sieber und Tobias Mann, die ansonsten als Solisten auf den deutschsprachigen Bühnen unterwegs sind, gemeinsam nur im zdf mit ihrer Show „Mann, Sieber!“ zu erleben sind. Sie spielen pünktlich vor der Wahl zauberzauber die Illusionsnummer über einen Arbeitsmarkt mit frisierten Statistiken. Dabei ist Tobias Mann der Magier im Glitzerjackett, der die Fragen des hartnäckigen Christoph Sieber mit grandiosen Ausreden und Konfettiregen beantwortet. Mehr davon! Und Konfetti für dieses Land.

Schirmherr Dieter Hallervorden mit den Preisträgern und Künstlern beim Schlußapplaus

 

GALERIE

 

 

©2017 BonMoT-Berlin
Live-Fotos: Peter Frank (Zebrano Theater) | Carlo Wanka
PR Fotos: Johannes Riggelsen, Martina Bogdahn, hp_susannebuhr.de, Angelika Stehle

 

 

Jetzt folgen Links und Microbutton, der ‚World of Friends‘-Mitglieder:

Timo Bomelino/ Agentur Susanne BuhrTobias MannChristoph Sieber, Wühlmäuse, Zebrano-Theater, BonMoT-Berlin,

Agentur Susanne Buhr       Tobias Mann - microbutton       Christoph Sieber microbutton created by Carlo Wanka             zebrano-theater microbutton

 

Wie wäre es mit Ihrem eigenen Freundschafts-Buttons in der ”WORLD OF FRIENDS”? Diese Microbutton werden mit Ihrer Homepage/ Blog verlinkt. Mit einem kleinen Beitrag von nur € 144 netto (verlinkt) pro Jahr sind Sie schon als Förderer dabei. Hier erfahren Sie mehr.


Faust im Lavendelbad – Premierenkritik Sven Ratzke

$
0
0

Foto © Barbara Braun_MuTphotoIn seiner neuen Show „Homme Fatale“ unternimmt Sven Ratzke einen musikalischen Roundtrip

von Axel Schock

BERLIN – Sven Ratzke hat ganz offenbar zu heiß gebadet. Oder der vermeintliche Lavendelextrakt enthielt noch ganz andere Ingredienzen und hat ihm ordentlich die Sinne vernebelt. Für Menschen, die auch auf Bühnenbrettern ein Mindestmaß an Rationalität abfordern, wäre dies wohl die einzige Erklärung, um dem deutsch-niederländischen Entertainer auf seinem Trip folgen zu können.

Weshalb er zu Beginn seiner neuen Show „Homme Fatal“ als elegante Dressman-Variante des Phantoms der Oper ins Licht des Berliner Tipi getreten ist, wird allerdings dennoch das Geheimnis Ratzkes bzw. seines Ausstatters, des Stardesigners Thierry Mugler, bleiben.

Stück für Stück wird sich Ratzke im Laufe des Abends seines extravaganten Outfits entledigen und sich so auch modisch in mancherlei Zwischenwesen verwandeln: vom Zirkusdirektor, Wrestler und Superhero bis zum Glam-Rocker ist alles dabei.

Selbst der Overknee-Schaftstiefel kann er sich mit einem Rutsch entledigen. Und wenn’s darauf ankommt, kann Ratzke mit dieser Multifunktions-Haute-Couture sogar einen überzeugenden Rückwärts-Strip vollführen. Warum sollte man Ratzke also auch nicht abnehmen, dass sein Name in Wahrheit Luzifer ist, dem im Entspannungsbad ein faustischer Pakt zuteil wird, überall und jedermann sein zu können.

Von Paris über Rom bis nach New York geht diese Reise, mit musikalischen Zwischenstopps bei Joy Division, Rufus Wainwright, Lou Reed und IggyPop. Den roten Faden zwischen diesen Stationen hält Ratzke zwar fest in der Hand, seine mäandernde Erzählung hebt dabei aber ab ins Phantastische und Mythologische, ist Spuk- und Traumgeschichte, mal Wahn- und Irrsinn und dann auch einfach mal nur abstruse Groteske.

Sven Ratzke im Tipi - Foto © Barbara Braun_MuTphoto

Sven Ratzke im Tipi – Foto © Barbara Braun_MuTphoto

Sven Ratze fabuliert um des Fabulierens willen. Seine dreiköpfige Band zaubert mit Tasteninstrumenten (Christian Pabst), Schlagzeug (Haye Jellema) und Bass (Florian Friedrich) das dazu passende Geräusch – und den Soundttepich. Ob Gruselkeller, verrucht-verrauchter Nightclub, die engen Gassen Roms oder die sich nach alten, besseren Zeiten zurücksehnende Filmstadt Cinecittà – Ratzke und seinen Musikern gelingt es, den Zuschauer tatsächlich an diese Orte und zu den seltsamen Begegnungen mitzunehmen.

Eine Rampensau, ein Showman und ein Rock Animal ist Ratzke auch weiterhin. Doch anders als in früheren Programmen nimmt er sich weit weniger Raum für ausschweifende, schmutzig-schnoddrige Exkurse und Interaktionen mit seinem Publikum. In „Homme Fatale“ beschwört und zelebriert er vielmehr die rätselhafte Aura eines androgynen Charmeurs, der nie ganz von dieser Welt ist und doch in jedem Augenblick so präsent, wie es nur ein großer Entertainer zu sein vermag.

Auch in musikalischer Hinsicht wagt Sven Ratzke eine konsequente Weiterentwicklung. Nach Cabaret-Programmen, die dem Repertoire von Zarah Leander über Hildegard Knef bis Michael von der Heide verpflichtet waren, und der – mittlerweile auf drei Kontinenten – zu Recht gefeierten David-Bowie-Show „Starman“ sind solche Cover-Versionen nun in der Minderzahl. Stattdessen Songs, die in Kooperation etwa mit dem Belgier Dez Mona, der New Yorker Singer-/Songwriterin Rachelle Garniez und vor allem mit seinem Pianisten und bemerkenswerten Arrangeur Christian Pabst entstanden sind.

Dieses Material fügt sich dabei fast nahtlos in den musikalischen Kosmos ein, den sich Ratzke mit seiner sonoren, warmen Stimme und deren Nähe zu Reed, Bowie, Ian Curtis & Co. erschlossen hat. Der kongeniale Song, den man auf alle Zeiten mit Sven Ratzke verbinden wird, fehlte diesmal allerdings. So catchy, wie das gecoverte Material sind diese Neukompostionen noch nicht. Mit „Mephisto“ (Text Ratzke/ Musik Pabst), war man aber schon ganz dicht dran.

©2017 Bonmot-Berlin
Fotos: Facebook Tipi © Barbara Braun/MuTphoto

Homepage Sven Ratzke mit allen Terminen | tipi am KanzleramtTIPI am Kanzleramt

Nach seiner Tour in die USA und durch die Niederlande folgen Ende November weitere Gastspiele in Deutschland. // „Ratzke’s Rendezvous“, Talk-Cabaret-Show, aufgezeichnet in der Bar jeder Vernunft, in der ARD-Mediathek abrufbar. Ratzke: „Homme Fatale“ Bar Jeder Vernunft

Galerie


Berserker im Samtanzug – Kritik Sebastian Krämer

$
0
0

Sebastian Krämer & Metropolis-Orchester Berlin
Uraufführung: „Im Glanz der Vergeblichkeit – Vergnügte Elegien“

von Carlo Wanka und Beate Moeller

BERLIN – Man erlebt viel in Berlin, und es ist auch nicht selten, dass Menschen vor Kassenhäuschen stehen und fragen, ob man ihre Karte kaufen möchte. So war auch am Kartenschalter des Heimathafens Neukölln eine Traube von Leuten ganz aus dem Häuschen. Fieberten, wollten sie doch eine Karte des total ausverkauften Konzerts ergattern. Warum?

Mit Pauken und Trompeten, Geigen und etlichen anderen

Streichinstrumenten, zwei Harfen und überhaupt mit einem ganzen Orchester, dem Metropolis-Orchester, hat sich der Berliner Liedermacher ausgestattet. Ein geradezu größenwahnsinniges Projekt. Das Publikum rastet schon aus, bevor Sebastian Krämer die Bühne betritt und mit Dschingderassassa am großen Bechstein-Konzertflügel die Premiere eröffnet.

Ob da nur ein Spielzeug mal zufällig draußen liegen geblieben sein mag oder ob „Puppi Duppi hat die Nacht im Garten verbracht und seitdem nicht mehr gelacht“ was viel Düstereres bedeutet, bleibt dem Interpretationsspielraum des Publikums überlassen und eröffnet dem Künstler jede Steigerungsmöglichkeit.

Eine verschmitzte Lehrer-Attitüde gehört bei ihm dazu – mal wird einem der Unterschied zwischen Dur und moll erklärt, „aber moll ist immer noch ein bisschen schöner“, mal wird der Besinnungsaufsatz über Franz Kafka und Max Brod zerpflückt.

Das Orchester schlägt einen mittelalterlicher Sound an, um die Geschichte vom Drachentöter zu zelebrieren. Es wäre kein Krämer Song, wenn da nicht auch eine U-Bahn und ein Nachtzug ganz selbstverständlich durch die Moritat sausten. „Wie heißt das Passwort für den Berg?“ Schelmisch rauscht Sebastian Krämer durchs Programm, das vorab schon mit dem Titel „Im Glanz der Vergeblichkeit – Vergnügte Elegien“ irritiert, egal ob er sich mit Ernst Barlachs Buchleser, den ein René aus dem Publikum auf der Bühne nachsitzen muss – „die Haltung zeugt vom Eifer der Lektüre“ – , mit Spitzwegs armem Poeten befasst oder mit der „Fingerkuppensuppe“ aus dem Kochbuch der Kannibalen, in dem sich erstaunlich viele vegetarische Rezepte finden.

Mit anscheinend kindlicher Naivität schaut dieser Querdenker auf die Welt, um das Beobachtete blitzgescheit, wortgewaltig und mit exzellentem sprachlichen Feingefühl zu sezieren – ein Berserker im Samtanzug. Immer wieder verblüfft der Gründer des ‚Club Genie und Wahnsinn‘ (monatlich einmal im Zebrano-Theater) mit Unerwartetem. Was er als einen „happy Song für alle, die kein Deutsch sprechen“ ankündigt und mit fröhlich-schmissiger Musik begleitet, erzählt die todtraurige Geschichte von „Patricks Zimmer“, in dem alles bleibt, wie es ist.

„Du musst immer die erste Geige spielen!“, schimpfen Leute – früher jedenfalls. Doch was daran verkehrt sein soll, bleibt bis auf weiteres unerklärlich. Dass aber Silva Finger beim Metropolis-Orchester die erste Geige spielt, ist wunderbar. Und wenn ein Tubist benötigt wird, nötigt man einen aus dem Auditorium – und siehe da, es kommt einer auf die Bühne.

Zweimal über eine Stunde begeistert Sebastian Krämer mit dem Metropolis-Orchester das Publikum im Berliner Heimathafen. Die Spielfreude des Orchesters unter der Leitung von Burkhard Götze trägt zum Gelingen dieser außergewöhnlichen Premiere und dieser einzigartigen Show bei, der man wünscht, dass noch viele Auftritte folgen mögen. Bravo!

 

Galerie

 

1. Violine – Konzertmeisterin Margarita Gamova | 1. Violine – Alessia Laurora
2. Violine – Joselyne Mariotti & Silva von Bülow
Viola – Misha Balan | Violoncello – Ella Jarrige | Kontrabass – Emy Mahdy
Flöte – Martin Bosse Platière | Oboe – Camila del Pozo
Klarinette/Sax – Tanja-Maria Hirschmüller | Fagott – Sheng-Hsien Hsieh
Horn – Susanne Kugler | Trompete – Tandoruk Yalcin
Posaune – Sören Fries | Pauken/ Schlagzeug – Jens Peter Kappert

Solo Violine bei Dolo Silva von Bülow
Dirigent Burkhard Götze

Fotos: Carlo Wanka

© 2017 BonMot-Berlin

Homepage: Sebastian Krämer | Metropolis Orchester Berlin

Mamma Macchiato – Ausgehtipp

$
0
0

Am 15.03. Berlinpremiere im Admiralspalast F101, 20 Uhr

Mit Mamma Macchiato bringt die Berliner Off-Musical-Company Stammzellformation ihr neu inszeniertes Erfolgsstück auf die Bühne. In der espresso-schwarzen bittersüßen Musical-Komödie kriegt die Prenzlauer-Bohème ihr Fett weg.

Es spielen: Nini Stadlmann, Franziska Kuropka, Tom van Hasselt. Text und Musik: Tom van Hasselt.
Regie: Felix Powroslo

Weitere Termine: 16.03./17.03., 13.04./14.04./16.04.2018
und 06./07./08.05.2018

 

Karneval der Kulturen 2018

Opening Gala – 31. IKF 2019

$
0
0

Eröffnungs Gala zur 31. internationalen Kulturbörse in Freiburg

vom Ritter von Lehenstein

FREIBURG – Die vier Akkordeonisten von Danças Ocultas aus Portugal eröffnen und schließen den Auftakt zur 31. Internationalen Kulturbörse Freiburg (IKF). Eindeutig beherrschen sie ihre Instrumente und sind hörenswert, jedoch als first act.

Als Timo Wopp, der diplomierte Kaufmann, Wahlberliner und Vater, nun als Moderator auf die Bühne prescht und das Programmtempo schlagartig antreibt, bekommt man das Gefühl, doch auf der richtigen Veranstaltung zu sein. Er führt durch den Abend und lässt es sich nicht nehmen, die Honoratioren frech anzugehen und doch den Respekt zu wahren. Wenn auch knapp. Fünf Minuten hat der 1. Bürgermeister Ulrich von Kirchbach zum Sprechen, was er als geübter Politiker auf den Punkt hin schafft. Der Stolz auf Freiburg und die Kulturbörse ist ihm anzuhören. Respekt ist sowieso Timos großes Anliegen, und so bringt er das Publikum dazu, zu dem Applaus auch noch ein auf Drei donnerndes „R E S P E K T“ zu brüllen.

Mit Fatima Moumouni & Laurin Buser, sie Deutsche, er Schweizer, kommt das Team «Zum Goldenen Schmied», zwei Worttalente aus der Poetry-Slam- Szene. Ihre Texte behandeln nicht die großen Themen, sind jedoch kunstvoll arrangiert. Wenn sie synchron sprechen, erinnern sie an Ursus und Nadeschkin.

Ebenso der zurzeit hochgelobte Martin Frank, der vermutlich gerade kaum weiß, wo er zuerst sein soll. Eben noch bei Ringlstetter im BR-Fernsehen, dann im BKA-Theater Berlin und nun hier in Freiburg, erinnert an den jungen Mittermeier. Kühn ist seine Methode, dem Publikum nun etwas von Organspenden vorzutragen, und er schafft es, er kann es. Und singen kann er auch  – wie er mit seiner Arie beweist. Ein bisschen mehr Lässigkeit, à la Maxi Schafroth, nicht so übertrieben wie bei Timo Wopp, würde gut passen und dann – wäre Bayern um ein Kulturgut reicher.

Visuell beeindruckte die hervorragend inszenierte Darbietung der Luftkünstlerin llona Jäntti aus Finland. Als Iimatila tritt sie auf und fasziniert mit einer modernen Inszenierung, in der sie mit den auf der Leinwand projizierten, zum Teil dadaistisch wirkenden Ereignissen spielt. Ob vom Boden aus oder in den Seilen hängend, sie zeigt ein breites Spektrum, das zudem mit sehr eigensinniger Musik unterstrichen wird. Klasse.

Am meisten jedoch reagierte das Publikum auf Trygve Wakenshaw aus Neuseeland mit seinem umwerfenden Slapstick. Er ist ein Physical-Comedy-Darsteller, der seine Ausbildung an der Clownschule Ecole Philippe Gaulier in Paris abgeschlossen hat. Mit seinem skurrilen Stil wirkt er verrückt, gewagt und exzentrisch, dabei zum Brüllen komisch. Und wenn man glaubt, der Gag sei passé, setzt er noch eins drauf – einzigartig.

Timo Wopp führt die Moderation immer wieder auf die Schwierigkeiten zurück, mit denen Kabarettisten in der heutigen Zeit zu kämpfen haben. Es sei schwer, gegen diese Trumps, Putins und Erdogans oder inländische Vertreter des Wahnwitzes noch gutes Kabarett zu schreiben. Er kommt zu der Erkenntnis, dass heute Recherche der Feind der Meinung sei und zu viel Wissen auch nicht gesund sei. Wir leben mit einer „Mitteilungsinkontinenz“. Doch bevor alles in die Hose geht, zeigt er seine rasante Balljonglage, bei der er alles kommentiert, was ihm durch den Kopf zu jagen scheint. Zum Schluss beeindruckt er mit einer Zigaretten-Streichholz-Akrobatik, die wahrlich respektvoll ist, welchen er aber auch extrem vom Publikum abfordert.
Alles in allem eine abwechslungsreiche und vor allem internationale Opening-Gala, einer Kulturveranstaltung in diesem Sinne gerecht werdend.

Webseiten: Timo WoppZum Goldenen Schmied | Martin Frank | llmatila | Trygve Wakenshaw | Danças Ocultas

©2019
Fotos: Ritter von Lehenstein


Der Wettbewerb um die 34. St. Ingberter Pfanne – Erster Tag

$
0
0

Sebastian Lehmann, William Wahl, Fatih Cevikkollu

von Gilles Chevalier

ST. INGBERT – Die zwölf Finalisten im 34. Wettbewerb um die St. Ingberter Pfanne kämpfen um vier Preise, die mit jeweils 4.000 ,- € dotiert sind. Die Jury verleiht zwei Preise, jeweils einen Preis verleihen die Jugendjury und das Publikum.

Der erste Teilnehmer ist Sebastian Lehmann, der Ausschnitte aus seinem Lesebühnen-Programm „Elternzeit“ zeigt. Der Mittdreißiger aus dem Breisgau lebt in Berlin und bringt die Telefonate mit seinen Eltern auf die Bühne. Die sind gut situiert und sorgen sich um den freischaffenden Sohn.

Lehmann spricht diese Dialoge mit verstellter Stimme – allerdings sehr dick aufgetragen und recht monoton. Positiv dagegen ist, dass kein Dialog länger als drei Minuten dauert. Ob das mit der Vermarktung der Geschichten in einigen Radiosendern zu tun hat? Gut auch, dass manche Figuren aus den Geschichten unvermittelt wieder auftauchen. Das dann Entstehende beweist dem Zuschauer, dass er doch länger als drei Minuten einem Vortrag folgen kann.

Lehmann - Foto © Rainer HagedornDie drei Minuten sind auch für den zweiten Teil von Sebastian Lehmanns Vortrag wichtig. Hier präsentiert er Lyrik, die auf den größten Hits der letzten dreißig Jahre basiert. Der Clou: Er lässt die Texte von Google übersetzen. Klar, dass da völlig neue Textwelten entstehen. Das Publikum applaudiert begeistert.

Für William Wahl wird ein Flügel ins rechte Licht gerückt. „Wahlgesänge“ heißt das Programm des Künstler, der auch in der a-capella-Formation basta aktiv ist. Aus ABBAs „Chiquitita“ macht er ein Chanson, das sich um die „schicke Kita für unser Kind“ dreht. Wahl träumt von einem veritablen Shitstorm ganz für sich allen, der ihn in einem Crescendo regelrecht zu verschlingen scheint.

William Wahl ist ausgesprochen abwechslungsreich und überzeugt mit hoher Musikalität. Botschaften, sagt er, habe er keine. „Gönn Dir doch ein kleines bisschen Hass“ schlägt er vor, denn wer dauerhaft nur Gutes tut und denkt, kann kein ausgeglichener Mensch sein.

Wahl - Foto © Rainer HagedornIn „Glücklich“ singt er von einer gescheiterten Beziehung. Dabei sieht er noch immer das Positive seiner Verflossenen, obwohl die bereits mit einem neuen Partner zusammengezogen und in anderen Umständen ist. Immer lauter und aggressiver wird dabei das Lied und das Gefangensein des Sängers in seiner Gefühlswelt wird geradezu körperlich erlebbar. Kein Zweifel, William Wahl empfiehlt sich als guter Unterhalter. Das erkennt auch das Publikum und dankt mit begeistertem Applaus.

Der Kleinkunstpreis der Stadt St. Ingbert sei ein Förderpreis, heißt es im Programmheft. Deshalb muss Fatih Çevikkollu hier als Außenseiter gelten. Dieser Kabarettist ist bereits etabliert. Ausschnitte aus seinem Programm „FatihMorgana“ hat er mitgebracht.

Gleich zu Beginn stellt er klar, dass eine Fata Morgana eine Luftspiegelung ist und keine Illusion. Das gibt die Richtung seines Vortrags vor. Die Veränderungen durch Çevikkollu - Foto © Rainer Hagedorndie Digitalisierung beschäftigen ihn. Die Rechenkapazität habe sich so stark entwickelt, dass es in der Zukunft zu einer Verschmelzung von Mensch und Maschine kommen wird. Çevikkollu bewertet das ausdrücklich nicht. Aber er fordert, positive menschlichen Eigenschaften wie Empathie und Hilfsbereitschaft bei der Schaffung der neuen Wesen nicht zu vergessen.

Çevikkollu unterscheidet zwischen digitalen Eingeborenen und digitalen Migranten. Die Grenze liegt ungefähr beim 30. Lebensjahr. Den digitalen Migranten bleibt nichts anderes übrig, als sich den digitalen Eingeborenen anzupassen und den Umgang mit dem Neuen zu lernen. Nachvollziehbar und sehr geschickt, denn der Schritt vom digitalen Migranten zum realen Migranten liegt auf der Hand.

Der Wunsch nach der guten alten Zeit führe nicht weiter, wie die politischen Führer der USA, Großbritanniens und der Türkei gerade eindrucksvoll beweisen. Auch der Wunsch nach einer deutschen Leitkultur bringe nichts, denn das sei ein unbestimmter Rechtsbegriff. Alle Definitionsversuche die er kenne, sind „ausgrenzend, fremdenfeindlich und dumm, kurz AfD“, sagt Çevikkollu in seinem geistreichen Programm. Das Publikum dankt mit sehr herzlichem Applaus.

GC, 8. September 2019, © 2019
Fotos: Rainer Hagedorn

HP: Sebastian Lehmann | William Wahl | Fatih Çevikkollu

Der Wettbewerb um die 34. St. Ingberter Pfanne – Zweiter Tag

$
0
0

Scharrenberg - Foto © Rainer HagedornJean-Philippe Kindler, Gabor Vosteen, Jakob Friedrich

von Gilles Chevalier

ST. INGBERT – Zum Wettbewerb um die St. Ingberter Pfanne gehört natürlich auch ein Moderator. Gekonnt stellt Philipp Scharrenberg jeden Teilnehmer in Reimform vor. Er findet die richtige Länge und macht Appetit auf die Künstler, ohne sich selbst zu sehr in den Vordergrund zu spielen.

„Mensch ärgere Dich“ heißt das Programm des 23-jährigen Jean-Philippe Kindler. Seit drei Jahren spielt er auf der Bühne und hat beim Poetry Slam schon große Erfolge gefeiert. Klar, dass ihm Fridays for Future nahegeht. Doch zu den Akteuren und ihrer Anführerin kann er nur das bereits Bekannte sagen. Schon ist ein Drittel seines dreiviertelstündigen Auftritts vorbei, ohne dass Substanzielles geschehen ist.

Kindler - Foto © Rainer HagedornKindler springt von Thema zu Thema und reißt viel an, ohne zu vertiefen. An Religionen und Religionersatzstoffen beißt er sich fest. „Karma als Gottersatz“ heißt ein längerer Text, den er auswendig vorträgt. Er selbst findet sich durchgehend lustig, doch im Publikum scheinen immer nur einzelne Reihen Spaß zu haben. Kindler sagt über sich selbst, er freue sich, wenn sich andere über ihn ärgern.

Das dürfte ihm auch bei den Veranstaltern gelungen sein. Denn seine Forderung nach mehr weiblicher Präsenz auf den Bühnen – auch in diesem Wettbewerb – findet beim Publikum sehr große Unterstützung.

Gelungen ist auch seine multimediale Darstellung des Spiels „Mensch ärgere dich nicht“. Durch die unterschiedlichen Ausgangspositionen der Mitspieler stellt sich für jeden ein anderer Spielverlauf dar: Einer hat viele Felder auf dem Spielfeld, die ihn immer wieder zurückwerfen, ein anderer viele Felder, die sein Weiterkommen begünstigen. Eben wie im wirklichen Leben. Sehr freundlich applaudiert das Publikum.

Vosteen - Foto © Rainer HagedornGanz ohne Worte kommt Gabor Vosteen in seinem Programm „The Fluteman Show“ aus. Er bringt auf ungewöhnliche Art dem Publikum die (Block-)Flötentöne bei. Werke von Bach, Mozart und Paganini sind vor seinen Interpretationen nicht sicher. Zur großen Gaudi des Publikums spielt Vosteen „Die kleine Nachtmusik“ mehrstimmig auf drei Blockflöten gleichzeitig, wobei er auch die beiden Nasenlöcher zum Musizieren nutzt. Es gelingt ihm unter atemberaubenden Verrenkungen sogar, fünf Blockflöten gleichzeitig zu spielen!

Zum Piepen ist seine Orchesterprobe mit vier Zuschauer_innen. Vier Blockflöten werden auf drei Frauen verteilt, ein Mann bedient ein kleines Becken. Da jede Flötistin nur einen einzigen Ton spielen muss, können alle zusammen musizieren. Diese, nun sagen wir Generalprobe, begeistert.

Vosteen spielt „Smoke on the Water“ von Deep Purple auf einer elektrisch verstärkten Flöte und entlockt ihr echten Rock ’n‘ Roll. Mit einer Bassblockflöte und einer Loop-Maschine schafft er Urwaldatmosphäre in der St. Ingberter Stadthalle – wozu natürlich auch sein charmanter Kopfschmuck aus Blockflöten beiträgt. Begeistert und rhythmisch klatscht das Publikum. Ein erster Pfannenkandidat.

Friedrich - Foto © Rainer HagedornJakob Friedrich schreibt an seinem ersten Programm. Es wird „I schaff mehr wie Du!“ heißen und im Frühjahr 2020 Premiere haben. Ausschnitte daraus zeigt er im Wettbewerb. Als schwäbischer Facharbeiter „mit bremischen Migrationshintergrund“ betrachtet er seine Umgebung aus der blauen Latzhose heraus.

Auch im wirklichen Leben Mechatroniker, macht er sich Gedanken über die Fallen des ersten Arbeitstages in einem neuen Unternehmen und die unterschiedlichen Mentalitäten der Bremer und Schwaben. Schließlich kann man jeden Schwaben mit dem dem Ausruf „I schaff mehr wie Du!“ aus der Ruhe bringen.

Er mäandert zwischen dem psychoanalytischen Begriff der Projektion im Straßenverkehr und in der Ehe, dem Soziolekt der Studenten und dem Medientraining für Fußballer. Alles exakt beobachtet, aber noch nicht ausreichend angereichert.

Die Eigenarten seiner Nachbarn, Freunde und Arbeitskollegen haben es Jakob Friedrich besonders angetan. Er hat sie gut konzentriert und einzelnen Charakteren zugeordnet. So entsteht ein Panorama ganz normaler Leute mit ganz alltäglichen Macken, die aber manchmal ganz ungesunde Ansichten haben.

Besonders stark ist ein Gerichtsurteil, das Friedrich so formuliert, wie sein Nachbar denkt. Also in etwa: Der Angeklagte ist schuldig, weil er schon so aussieht und sein Telefon besser als meins ist. Noch mehr Nummern dieses Formats würden dem Programm guttun. Doch Jakob Friedrich hat ja noch ein halbes Jahr Zeit bis zur Premiere. Das Publikum spendet warmen Applaus.

GC, 9. September 2019, © 2019
Fotos: Rainer Hagedorn

HP: Jean-Philippe Kindler | Gabor Vosteen | Jakob Friedrich

Der Wettbewerb um die 34. St. Ingberter Pfanne – Dritter Tag

$
0
0

Florian Hacke, Olaf Bossi, Quichotte

von Gilles Chevalier

ST. INGBERT – Auch am dritten Wettbewerbstag treten in St. Ingbert noch keine Frauen auf. Aber man nähert sich langsam der weiblichen Perspektive, indem drei Doppelväter den Abend gestalten.

Florian Hacke ist Schauspieler und für ein Jahr in Elternzeit, damit seine Frau studieren kann. Seine Erfahrungen aus dieser Zeit hat er in dem Programm „Hasenkind du stinkst“ verarbeitet. Da ist eine ganze Reihe Vorurteile seiner Mitmenschen, die sowohl die Elternschaft, als auch die Elternzeit betreffen. Hacke stellt das sehr unterhaltsam dar, man versteht aber auch, dass ihn die Bedenken und Vorstellungen der anderen stören. Besonders ungünstig sei dabei für ihn, dass ihm die passende Antwort immer erst eine halbe Stunde später einfällt…

Florian Hacke - Foto © Rainer HagedornSelbst im Papa-Kurs für werdende Väter ist er der einzige, der seine berufliche Entwicklung für den Säugling zurückstellen will. Auch auf dem Spielplatz, den er gemeinsam mit vielen Müttern besucht, muss er viel Zeit aufwenden, damit er als Vater und nicht als Verbrecher auf Kleinkinderjagd erkannt wird. Eine i

nteressante Perspektive, die zeigt, dass Vorurteile bei jedem Geschlecht vorkommen.

Hacke hinterfragt das vorherrsche gesellschaftliche Bild. Eine Ursache dafür findet er in der tradierten Rollenvermittlung in Kinderbüchern. Conni und ihre normative biodeutsche Familie hat er dabei besonders im Blick. Und geschlechterspezifisches Spielzeug trägt ebenfalls seinen Teil zur Zementierung des Status quo bei.

Florian Hacke argumentiert überzeugend für ein selbstbestimmtes Aufwachsen seiner Tochter und verlangt ein grundsätzliches Umdenken beim Erziehen: „Wenn wir unsere Söhne erziehen, müssen wir unsere Töchter nicht warnen!“ Ach, wäre Feminismus doch immer so sympathisch und unterhaltsam, denken sich einige im rhythmisch klatschenden Publikum. Ein weiterer Pfannenkandidat.

Olaf Bossi - Foto © Rainer HagedornOlaf Bossis Programm „Endlich Minimalist …aber wohin mit meinen Sachen?!“ hatte noch gar nicht Premiere. Bossi zeigt einige Ausschnitt und berichtet von den Schwierigkeiten, die ersten Digital Natives erziehen zu dürfen. Zur Gitarre singt er über „Zen Dinge“, die der auf Achtsamkeit bedachte Digitalier dauernd im Blick hat.

Große Klasse ist auch sein nicht enden wollendes Schlaflied

, weil das Kind einfach nicht die Augen zumachen will. Olaf Bossi ist dabei ein angenehm ruhiger Erzähler, der als Endvierziger zufrieden in der Familie angekommen ist. Dabei hatte er einen ganz anderen Lebensentwurf, wie er im Lied vom Klassentreffen singt. Er bewundert darin seinen Nachbarn. Doch alles gleicht sich aus, weil ihm der Nachbar gesteht, insgeheim auch einen anderen Lebensplan gehabt zu haben.

Olaf Bossi reflektiert seine Alltagsbeobachtungen, ohne wehzutun. Beziehungen sind ihm wichtig. Zum Beispiel die jahrzehntelange Ehe seiner Großeltern, deren Harmonie jedoch zu einem guten Teil auf einem Missverständnis beruht. Ehescheidungen möchte er positiv betrachten und bezeichnet sie als „das Ende eines Nichtschönen“. Jahre seines Lebens verbringt er, wie wir alle, im Stau. Währenddessen geht das Leben um ihn herum weiter. Das Publikum dankt mit sehr herzlichem Applaus.

Quichotte - Foto © Rainer HagedornQuichotte tritt mit seinem Programm „Die unerträgliche Leichtigkeit des Neins“ im Wettbewerb an. Seine jugendlich wirkende Base Cap zieht er ab, um die Wirkungslosigkeit von Haarwasser zu beweisen. Ein schönes Stand Up legt er über die Frage hin, ob Rap mit Mitte Dreissig noch in Ordnung ist. Denn in Deutschland sei es ja so, dass auf einem Plakat immer ganz genau stehen müsse, was den Zuschauer erwartet: Comedy oder Kabarett.

„Wenn’s total verwirrend wird und keiner lacht – das ist Kabarett“, so Quichottes Definition. Nicht nur an dieser Stelle amüsiert sich der Saal prächtig an diesem schnellen Vortrag. Auch wenn er aus 15 Begriffen aus dem Publikum einen Rap-Song improvisiert, zieht er die Menschen auf seine Seite.

Quichotte freut sich an schlagfertigen Kölner Rentnern, die unwissenden Touristen den Dom als das Empire State Building verkaufen. Auch die Kölner „Büdchenkultur“ hat es ihm angetan, weil man dort am Stehtisch jedem zugesteht, dazuzugehören. Das will Quichotte auch.

Beeindruckend sein frei vorgetragener Text „Das Orchester“. Jedes Instrument stammt hier aus einem anderen Land, doch erst gemeinsam bilden sie ein Ganzes. Mucksmäuschenstill lauscht der Saal dieser Utopie einer friedlichen Gesellschaft, bevor ein begeisterter Applaus einsetzt.

GC, 11. September 2019, © 2019
Fotos: Rainer Hagedorn

HP: Florian HackeOlaf Bossi | Quichotte

Der Wettbewerb um die 34. St. Ingberter Pfanne – Vierter Tag

$
0
0

Impression - Foto © Rainer HagedornSulaiman Masomi, Dirk Omlor, Alte Mädchen

von Gilles Chevalier

ST. INGBERT – Sulaiman Masomi eröffnet den letzten Wettbewerbstag mit Ausschnitten aus seinem Programm „Morgen-Land“. Seit einem halben Jahr sei er mit dem Programm auf Tour – die Texte besitzen dafür bereits eine ungewöhnliche Bekanntheit.

Da ist „Der Rat der Sprache“. Er tagt, weil der Genitiv im Sterben liegt und die Ursache dafür herausgefunden werden soll. Ein himmlischer Ritt durch die deutsche Grammatik und über alle rhetorischen Figuren hinweg.

Der Poetry Slamer Masomi zeigt sich in einem anderen Text enttäuscht von der Evolution. Seit 3,5 Milliarden Jahren gebe es Leben auf der Erde. „Es war eine lange Reise vom Einzeller zu Donald Trump und man kann sagen, der Kreis hat sich geschlossen“, fasst er die Entwicklung zusammen. Sulaiman Masomi - Foto © Rainer HagedornDoch das sind nur einzelne schöne Ansätze. Alles in allem hat die Dreiviertelstunde Masomis zu wenig Struktur. Der gebürtige Kabuler betrachtet die Welt von Krefeld aus und hat natürlich das Thema „Als migrantisch aussehender Mann unter Deutschen“ mit dabei. Und er ruft zu einer friedlichen, solidarischen Gesellschaft auf. Nicht singen zu können, gibt er zu und beweist es. Reinhard Mey würden alle Gitarrenseiten reißen, kennte er die Umdichtung von „Über den Wolken“, die bei Masomi „Unter der Burka“ heißt. Das Publikum applaudiert herzlich.

Dirk Omlor gibt in seinem Programm „Ei joo, so isses halt!“ den saarländischen Taxifahrer Rudi Lauer, der vom Leben, seiner Frau und der volljährigen Tochter erzählt. Mundartkomiker hießen solche Leute früher. Heute, wo überall gespart werden muss, bleibt nur noch die Mundart übrig.

Elegant reiht Omlor seine Alltagsbeobachtungen aneinander, nur scharf zubereitet Dirk Omlor - Foto © Rainer Hagedornhat er sie nicht. Das ist angenehme Unterhaltung für ein Betriebsfest, aber für den Betrieb dieses Wettbewerbs wenig geeignet.

Omlor schwätzt nicht nur, wie es im Saarländischen heißt, er zaubert auch. Er ist Mitglied beim „Magischen Zirkus“, wo sie „einmal in der Woche das Bier verschwinden lassen“. Er kann ein Tuch wegzaubern oder Kartentricks mit einem Saarländischen Schnarchbären als puppenhaften Assistenten vorführen. Alles zauberhafte Andeutungen.

Die Nummer mit den Säbeln kommt nicht zustande, weil ihm die Assistentin abhanden gekommen ist. Seine Zeitungsanzeige „Suche Assistentin für in die Kiste, Säbel vorhanden“ führt zu allerlei Verwicklungen, nicht jedoch zu einer neuen Assistentin. Aber das ist eine andere Geschichte, die wie viele andere in diesem Beitrag auf einer Taxi-Fahrt von Bexbach bis Perl einen wunderbaren Platz findet. Die Bühne im Wettbewerb um die St. Ingberter Pfanne füllen sie nicht aus. Herzlicher Applaus für Dirk Omlor.

Alte Mädchen - Foto © Rainer HagedornJutta Habicht, Ines Martinez, Sabine Urig und Anna Bolk bilden die Formation „Alte Mädchen“. Der gleichnamige Titel ihres Stücks ist Programm: Alle sind um die 50 Jahre alt, können sich aber nur schwer von den überlieferten gesellschaftlichen Vorstellungen trennen. Sie wissen nicht, was für ein Leben sie jetzt führen sollen.
Einen musikalischen Abend im Halb-Playback gestalten die Vier. Schmissige Musik, ergreifende Chansons und bisweilen hölzerne Dialoge wechseln sich ab. Schön choreographiert gehen sie die Werbesprüche der vergangenen Jahrzehnte durch, ohne etwas Passendes zu finden. Früher sahen Frauen zwar schon mit 50 so aus, als wären sie 70. Siehe Heidi Kabel. Aber was nutzt das, wenn man sich nicht traut, nach den eigenen Vorstellungen zu leben?
Frauen um die 50, sagen die Alten Mädchen, haben gescheiterte Beziehungen, Falten und Besenreiser. Männer, sagt der Kritiker, haben das in dem Alter auch. Aber die schlechten Erinnerungen verdrängen sie und weigern sich einfach, eine Brille zu tragen, um den körperlichen Verfall nicht so genau wahrzunehmen.
Die „Alten Mädchen“ sind in ihrer Entwicklung im Mädchenhaften steckengeblieben. Aus den gezeigten Ausschnitten geht nicht hervor, ob sie sich weiterentwickeln können. Herzlicher Applaus verabschiedet die vier Frauen.

GC, 12. September 2019, © 2019
Fotos: Rainer Hagedorn

HP: Sulaiman Masomi | Dirk Omlor| Alte Mädchen

Viele Künstler und Theater beleben das Netz, danke!

$
0
0
Sigrid Grajek - Claire - Foto © Ritter von Lehenstein

So, wie das BKA-Theater und Bernd Regenauer, haben viele Künstler aus der Not eine Tugend gemacht

vom Ritter von Lehenstein

Klar und ohne Frage gehört die größte Anerkennung und der Respekt, denen, die momentan tagein und tagaus mit den schweren Verhältnissen der Corona-Kriese beschäftigt sind, um unsere Gesundheit und unsere sozialen Strukturen aufrechtzuerhalten. Pfleger*innen, Ärzte*innen, Ehrenamtliche und private Unterstützer*innen wie Einkäufer*innen usw.. Toll auch, dass sich ein Bewusstsein dafür breitgemacht hat und nun auch bei uns abends zum Dank applaudiert wird.

Doch ebenso ist es erstaunlich, wie viele Künstler*innen, obwohl sie #100%Verdienstausfall (es ist viel los, scrollen nicht vergessen) verbuchen müssen, jetzt im Netz, vorwiegend bei der alten Netz-Tante FB, ihre Kunst unentgeltlich weiter führen. Denn jeder weiß, dass Kunst in jeglicher Form eine wichtige Projektion für die Gesellschaft ist. Ob über Streaming-Plattformen, oder, oder, sie sind eben Vollblut-Künstler, und frei nach dem Motto von #kulturerhalten: „Kultur ist nicht alles, aber ohne Kultur ist alles nichts“, lassen sie sich nicht unterkriegen und fordern nun die technischen Errungenschaften der letzten Jahre auf, ihnen dienbar zu sein. Auch Theaterbetreiber, wie z.B. das BKA (Berliner Kabarett-Anstalt) inszenieren Kultur im Internet. Viele Veranstaltungen werden von den Künstlern in unserer liveundlusig-Gruppe auf FB (es ist viel los, scrollen also nicht vergessen) angekündigt.

Also, liebe Künstler*innen und Leser*innen nutzt unsere Gruppe. Mit Abstand viel Spaß und bleibt gesund!

https://www.facebook.com/groups/110245569018104/

Foto © Ritter von Lehenstein

Viewing all 41 articles
Browse latest View live